Am 3.7.25 ist es soweit: Kinostart von ‚Frisch‘, ein sehenswerter klischeefreier Independentfilm, der ungefähr Anfang der 2000ern in Duisburg spielt. Ich bin ein ganz kleiner Teil im Team davon gewesen als Dialektcoach. Das war ein Erlebnis!
Aber jetzt erstmal zur schottischen Literaturverfilmung, der ein wilder Thriller-Ritt durch den Wilden Westen der Republik geworden ist und im Dialekt vom Ruhrgebiet mit der Atmosphäre von Duisburg in den 00ern hervorragend funktioniert.

Worum geht es im Film?
„Frisch“ ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans „Fresh“ des Briten Mark McNay. Die Handlung spielt in einer einem Stadtteil von Glasgow in Royston, einem sozialen Brennpunkt. Im Original lässt der Autor im Debütroman im dortigen Dialekt des Arbeitermilieus sprechen. Der Roman spielt hauptsächlich bei und in einer Hühnerfarm. Wer es liest, wird wahrscheinlich Veganer werden.

Kinovorstellungen ab 3.7.25 und Infos zum Film:
Frisch https://g.co/kgs/uBupnUU
Der Regisseur und die Idee zu einem außergewöhnlichen Film
Der in Boulder, Colorado, geborene amerikanische Regisseur Damian John Harper entschied dagegen die Handlung in Deutschland spielen zu lassen. Er suchte nach markanten Örtlichkeiten den Film eben in Deutschland angelehnt an das rauhe Milieu des Romans spielen zu lassen.
Es muss in einem Arbeitermilieu spielen und die Sprache soll auch dabei genutzt werden. Der Film hätte niemals mit dem Bergbau funktioniert. Ein Schlachtbetrieb für Schweine war die richtige Wahl. Denn es ist auch eine Methapher zur Situation.
Es hätte überall in Deutschland sein können. Gefunden hat er es im Duisburger Norden. Es kann Marxloh oder Rheinhausen sein. Die Wahl es hier spielen zu lassen, macht den Film nahbarer als in Schottland ihn spielen zu lassen, wo der schottische Dialekt auf Hochdeutsch synchronisiert worden wäre und die ganze Atmosphäre des Films untergegangen wäre. Was also liegt nahe nicht den Ruhrdeutschen Dialekt zu nehmen jnd es ins Ruhrgebietzu verlagern? Hier ist eben auch nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen.
Rauh und doch eben natürlich, ohne Klischees den Film durch die Handlung peitschen lassen, wie in einem Wilden Western, aber in ruhigen Bildern und dann im hiesigen Dialekt statt in Hochdeutsch. Das ist mutig gewählt vom Regisseur. Das Spiel der Sprache lässt den Film näher an der Wirklichkeit kommen, die durch den Verlust eines geliebten Menschen tatsächlich überall so oder ähnlich möglich ist.
Der Film hätte nicht in hessischen, sächsischen, bayrischen oder schwäbischen Dialekt funktionieren können in meinen Augen. Da denke ich an den witzigen Eberhofer-Krimi oder die Rosenheim-Cops. Hier geht es nicht um eine Mordaufklärung in Rosenheim, die immer so absurd ist, dass nur wenige Personen in der Serie den bayrischen Dialekt sprechen dürfen, der Rest tapert auf Hochdeutsch herum. Fall geklärt, alle Lächeln, Landschaft im Hintergrund. Halb Rosenheim abgemurkst.

Harper zeigt die Härte eines Arbeiters ohne Mindestlohn. In Schlachtbetriebe waren damals die Arbeiter ärmere Schweine als die dort hingen, um für den Grill des Bergmanns aufgeschlitzt zu werden. Jeden Tag mussten sie überlegen, wie sie die Miete bezahlen, eine Familie ernähren, geschweige denn einen Urlaub sich leisten zu können. Langjährige Mitarbeiter hatten noch Glück. Hier wird damit geliebäugelt, dass man sich mit Kleinkriminalität über Wasser halten konnte, um sich auch mal ein Restaurantbesuch leisten zu können.
Das und viele andere Dinge machen den Film besonders anders ohne übliche Klischees vom Ruhrgebiet mit echtem Ruhrdeutschdialekt. Was Heimatkrimi im GEZ-Fernsehen in Rosenheim ist, spielt, Damian John Harper in 108 nicht langweiligen Minuten mit düsteren Weichzeichnungsrückblenden in die 1990er. Die wachsende toxische Beziehung der ungleichen Brüder Kai und Mirko wird angelegt, wie in einer achtteiligen erfolgreichen Netflixserie. Der Film geht nicht spurlos an einem vorbei.
Die Handlung
Die Brüder verlieren früh ihre Mutter. Ihr Onkel übernimmt die Erziehung. Doch der ältere Bruder Mirko, schonungslos brutal gespielt des in Dresden geborenen Franz Pätzold, akzeptiert die Situation nicht und kommt immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt.
Bruder Kai ist das genaue Gegenteil, aber sie haben einen „Apachenschwur“ abgelegt, dass sie sich gegenseitig helfen, egal in welcher Situation. Der wird immer wiederholt, in jeder Lebenslage, um den schwächeren Kai daran zu erinnern, dass er Mirko helfen muss. Kai lässt sich in die Kleinkriminalität hineinziehen, um seiner Familie ein besseres Leben zu gönnen.
Dann kommt Mirko ins Gefängnis. Kai verwahrt Mirkos Geld auf. Aber er geht dran, um seiner Tochter eine Augenoperation zu bezahlen und in Pferdewetten zu stecken, um dann das Geld schnell wieder aufzufüllen.
Das Verhängnis zwischen den Brüdern beginnt, als Kai vor der Tatsache steht, dass sein gewalttätiger Bruder frühzeitig aus dem Gefängnis entlassen wird, er aber das Geld noch nicht vollständig zurückzahlen kann. Mirko ist eine tickende menschliche Zeitbombe, der auch gegen die Familie seines Bruders bereit ist Gewalt einzusetzen.
Die Szenen in der Schweineschlachterei sind heftig. Wie als Methapher zum Film wird geschlachtet, ausgenommen, zu Brei geschlagen. Blut fließt und Augen werden aus dem Tierkörper entnommen. Das Sezieren der armseligen Schweine ist das Sezieren der Menschen, die es nicht leicht haben mit wenig Geld in Deutschland über die Runden zu kommen und auch Gewaltbereit sind gegenüber ihre eigenen Familienmitgliedern. Kais Ehefrau Ayse wird gespielt von der aus dem Tatort Kiel bekannten Schauspielerin Almila Bagriacik. Insgesamt war es ein großartiger Cast, die alle ihre Rollen überzeugend dargestellt haben.
Die markante Stimme aus dem Off, die Erzählerstimme ist Ralf Richter. Er spricht Kais Alter Ego. Ich hatte das Glück seine letzten Sätze im Studio einsprechen zu hören. Bevor er eilig zum Bahnhof zurück nach Dortmund musste. Wenigstens konnte ich ein Selfie mit ihm bekommen. Es war mir eine Ehre! Toller Typ! Dabei ist er eher schüchtern und gar nicht wie der Prolltyp in so vielen Ruhrpottfilmen, den er so viele Male überzeugend miemt.

Einige NebendarstellerInnen habe ich gesehen bei der kleinen NRW-Premiere am 23.6. im Kölner Kino Rexi für TeammitgliederInnen. Unter anderem lernte ich Paul Sundheim und seine in Recklinghausen wohnende Mutter kennen.

Paul spielt in wenigen Szenen überzeugend brutal den jungen Mirko. In diesen wenigen Szenen zeigt er ein großes schauspielerisches Talent, das er schon im Schauspielhaus Bochum unter Beweis bringen konnte. Von ihm werden wir bestimmt noch einiges zu sehen bekommen. Zum Beispiel bald in einer Neuverfilmung vom Fliegenden Klassenzimmer ab Oktober 2025.

Als ich mit meiner Frau Ewa rausging, war ich überzeugt von dem Filmendergebnis. Denn ich kannte die Rohfassung, um die Dialektszenen zu überprüfen für eine mögliche Neusynchronisation einzelner Passagen.
Die SchauspielerInnen haben das generell gut gemacht. Besonders Onkel Andy, gespielt von Sascha Geršik, der schon als Hans-Jürgen Rösner, den Gladbecker Geiselnehmer spielte und als Schwabe definitiv bis auf ein einziges Mal in einer winzigen Szene den Ruhrpott schon auf der Zunge trägt. Wer, wie der Kritiker Daniel Kothenschulte von der Frankfurter Rundschau meint, das kein Schauspieler mit der Rolle verschmolzen ist im Film, so kann ich sagen, dass er den Film nicht nur nicht verstanden hat, sondern wohl andere Filme lieber sehen sollte, die seinen Geschmack mehr liegen.
Für mich hat der Film eine fast taranantinohafte Machart, aber fast ohne Humor. Es ist ein mutiger Kinofilm des Amerikaners, Damian John Harper, der in den USA ein Semester Anthropologie studierte. Nach einer Zeit als Höhlentauchlehrer entschied er sich an der Hochschule für Fernsehen und Film mit Schwerpunkt Dokumentarfilm und Werbung in München zu studieren.

Mit dem 14-Minuten Spiefilm „Teardrop“ gewann er beim Brooklyn Film Festival den Publikumspreis und die Beste Kamera für Friede Clausz beim Potsdamer Festival Sehsüchte. Hier spürt man sicher den Weg Harpers, denn es ging um einen Jugendlichen, der nur durch Mord in einer Straßengang aufgenommen werden würde.
Mit „Los Angeles“ schloss er 2012 sein Studium ab. Der Film bekam mehrere Auszeichnungen: First Step Award, LA Muse Award beim Los Angeles Filmfest und Bester Debütfilm beim Biberacher Filmfest, wo auch sein jetziger Film „Frisch“ 2024 als Bester Spielfilm ausgezeichnet wurde. Und es ist verdient!

Er wagt was anderes, düsteres, das auch mal im Ruhrgebiet spielen kann. Er hebt das Kino auf einen anderen Level gegenüber die üblichen Filmgenres und dem Mainstreamkino, wo nur hohe Besucherzahlen wichtig sind, um die Konten der großen Produktionsbosse wieder zu füllen. Viel Einheitsbrei läuft im Fernsehen und im Kino, aber zwischendrin gibt es auch Kleinode, so wie diese andere Art von Krimi.
Das deutsche Kino krankt an wenig Experimentierfreude. Es ist schon ein wenig mehr geworden, aber viel zu wenig. Mag sein, dass es vielleicht nicht den ein oder anderen Geschmack trifft, und Kritiker den Film wieder eher zerreissen, weil sie diese Experimentierfreudigkeit, das Spielen mit Milieu, Sprache, Charakteren, herunterspielen auf das, was man wieder hätte besser machen können.
Kritiken zweier großen Zeitungen
https://taz.de/Ruhrpott-Thriller-Frisch-im-Kino/!6094697/
https://www.fr.de/kultur/tv-kino/der-thriller-frisch-im-kino-93814225.html
Und…
https://www.epd-film.de/filmkritiken/frisch
https://www.br.de/nachrichten/kultur/romanverfilmung-frisch-gewaltvolle-kommunikation,UphPAUC
https://www.critic.de/film/frisch-19454/
Ganz ehrlich, das kotzt mich an. Ich war dabei im Studio. Ich habe das Herzblut von Damian für das Projekt fließen sehen, auch etwas von den Hürden mitbekommen. Es ist nicht einfach so ein besonderes Filmprojekt auf die Leinwand zu bringen. Es vergingen insgesamt vier Jahre jetzt bis zur endgültigen Premiere in ausgewählten Kinos. Eine unglaubliche Zeit ist verstrichen.
Denn ich war unerwartet im Oktober 2023 zum Studio Babelsberg von der Produktionsfirma Weydemann Bros eingeladen worden, um für Louis Hofmann eine Unterstützung beim Dialekt zu sein. Da dachte ich in paar Monaten ist das Endergebnis da. Nein, es dauerte noch etwas länger.

Direkt mit dem jungen lockeren Schauspieler Louis Hofmann und dem Regisseur Damian zusammen in einem Raum zu sitzen und in der Kantine vom Studio Babelsberg zusammen zu essen war ein besonderes einmaliges Erlebnis.
Louis Hofmann, ist weltbekannt geworden durch die Hauptrolle in der erfolgreichsten deutschen Netflixserie ‚Dark‘, spielt den jüngeren Bruder Kai.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich nicht nur meine Sprecherausbildung hinter mir, sondern war in den letzten Zügen meines Abschlusses als Synchronsprecher. Das hat mir noch ein wenig mehr Erfahrungen für die Situation gegeben.
Ich empfinde den Film in 108 Minuten, wie eine Netflixserie, die Fargo ähnelt. Die Rückblenden in Serien beteuern auch immer Situationen, die auf acht Teile in einer Serie dann den absoluten Höhepunkt vermitteln. Hier steigert es sich durch die Rückblenden. Bei Serien sagen Kritiker nie, dass es zu viel ist. Bewusst wird das Spiel der Sprache der Region in Harpers Film genommen.
Der Film hätte ja auch in Berlin spielen können. Die Hinweise auf den Schauplatz des Films gibt der Dialekt, die Autoschilder, sie tauchen im Dialog auf und bei der Volksbank Duisburg, die eher eine Privatbank mit dubiosen Zinsen ist, die früher üblich waren.
Mit sächsisch, hessischen oder bayrischen Dialekt wäre dieser Film nicht annähernd an die düstere Atmosphäre gekommen, der ohne die üblichen Klischees vom Ruhrgebiet und ohne Currywurst auskommt. In Slow Motion wird das ungeschönte Arbeitermilieu gezeigt mit einem dramatischen Ende…oder doch nicht. Der Film ist nur nichts für schwache Nerven! Gewalt kommt da in heftiger Weise vor.
Mehr verrate ich nicht, denn ich habe die Rohfassung zwei Mal gesehen, um an bestimmten Stellen den Alltags-Dialekt nachzujustieren. Auch hier ging es nicht um Klischeewörter, sondern darum wie hier richtig gesprochen wird. Und das ist das, wenn ich sage, dass die Pottwörter nicht verloren gehen sollten. Sprache jedoch verändert sich und wahrscheinlich wird auch das irgendwann in 30 Jahren Geschichte der Dialektik sein.

Da strömt schon stolz durch die Brust dabei gewesen zu sein und einem großartigen jungen Schauspieler etwas Unterstützung gegeben zu haben, die er selbst zur eigenen Sicherheit seiner Figur einstudiert hat und noch verbessern wollte.

Tour in die Filmwelt Babelsberg
Es ist Sommer 2023. Ich bekam einen Anruf, ob ich mir vorstellen könnte Dialektcoach für einen im Ruhrgebietsdeutsch gedrehten Film zu unterstützen.
Natürlich sagte ich als Heimatsprecher und Blogger der Region sofort zu.
Im Oktober 2023 wurde ich für einen ganzen Tag eingeladen, um dann neben Louis Hofmann, weltweit bekannt geworden mit seiner Hauptrolle in der erfolgreichsten deutschen Netflixserie ‚Dark‘, Passagen neu einzuspielen, um es natürlicher wirken zu lassen.
Ich wußte ja noch nicht, was mich erwartet. Wie sind die Schauspieler und der Regisseur? Wie sieht ein Tonstudio aus? Darf ich da fotografieren oder was kann ich da im Vorfeld schreiben darüber?
Eins war klar. Solange der Film noch nicht veröffentlicht ist, konnte ich nicht darüber groß schreiben. Das Filmprojekt war ja auch nach den Synchronisationsanpassungen noch lange nicht fertig. Jede Information zu dem Film hätte dem Projekt auch schaden können. In Instagram hab ich nur kurz ein paar Fotos und Infos gezeigt und das ich dabei war. Doch dazu mehr im Extrabeitrag:
Dialektcoaching für das Filmprojekt „Frisch“

Danke für die Einladung geht an die Produktionsfirma Porte au Prince Pictures und Weydeman Bros!
Links
Regisseur : Damian John Harper
https://www.filmportal.de/person/damian-john-harper_e23dec8769da4fbf92d1b83a109d7c82
SchauspielerInnen :
Louis Hofmann
https://www.filmmakers.eu/de/actors/louis-hofmann
Franz Pätzold
https://klostermann-thamm.de/schauspieler/franz-paetzold
Almila Bagriacik
https://schlag-agentur.de/almila-bagriacik#!/1
Ralf Richter
https://hb-management.info/ralf-richter
Sascha Geršak
https://agentur-lambsdorff.de/schauspieler/sascha-alexander-gersak/
Canan Kir
https://www.crew-united.com/de/Canan-Kir_334736.html
Pinar Erincin
https://www.crew-united.com/de/Pinar-Erincin_45746.html
Božidar Kocevski
https://www.agenturvogel.de/bozi-kocevski
Zejhun Demirov
https://www.castforward.de/members/profile/zejhun-demirov
Paul Sundheim
https://www.schwarzberlin.com/schauspieler/paul-sundheim/
Produktionsfirmen
https://www.weydemannbros.com/de
https://port-prince.de/projekt/frisch/
Dialektcoaching
André Brune
https://www.sprecher-brune.de/dialektcoach.php
Dr. Steffen Hessler / Dialektologe / Forensische Linguistik
https://staff.germanistik.rub.de/hessler/
Filmfest
https://www.filmfest-muenchen.de/de/programm/filme/film/?id=7674&f=118
GEWINN GOLDENER BIBER
Infos
https://www.crew-united.com/de/Frisch__273720.html
Der Film wurde unter anderem von der Film und Medienstiftung NRW, dem ZDF, Hessen Film &Medien, nordmedia
Dies ist auch unbezahlte Werbung, wenn man es so sehen möchte. Es ist auxh einfach ein Filmtipp für Euch mal was anderes als den üblichen Kram aich anzusehen. Das mache ich, weil ich überzeugt bin als alter Kinogänger vom Film und nicht, weil ich ein kleiner Teil vom Team war.