Podcast I UKRAINEBILD #6 – Wer sind die Kosaken?

Sehr viele Leute fragen sich zurzeit, wo findet die Ukraine Kraft, um dem starken Feind zu widerstehen?

Sehr wichtig ist die Unterstützung der ganzen Welt. Aber ohne den starken ukrainischen Geist und Willen wäre diese Hilfe umsonst.

Für uns Ukrainer liegen die Wurzeln des Widerstands im Kosakentum. Davon berichten wir heute:

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Wer sind die Kosaken?

Der Name „Kosake“ ist eine Mischung aus der tatarischen und türkischen Sprache. Es bedeutet so viel wie „ein tapferer Mann; Grenzverteidiger“ und in der ursprünglichen Turko-Tatarischen Bedeutung „Freibeuter“. Kosaken gab es auch in Polen und Russland, aber der Ursprung der Bewegung liegt in der Ukraine.

Laut Historikern haben entflohene Leibeigene im 15. Jahrhundert an den durch Schwellen schwer zugänglichen Inseln des Fluss Dnepr ihre Siedlungen gegründet. Im Laufe der Jahrzehnte sind mehrere Freiwillige zur Siedlung Zaporizska Sich gekommen und haben dort ihre Freiheit bekommen. So entstand ein Staat im Staate mit eigenen, auch ersten demokratischen Gesetzen, einem eigenen Heer und ihren gewählten Führern, die Hetmann oder Atamann genannt wurden.

Kosakenhauptstadt Zaporizska Sich

In Zaporizska Sich galten die Regeln der Gleichberechtigung und Bruderschaft zwischen den Kosaken.  Es war ein halbautonomes Gemeinwesen und Protostaat der Kosaken zwischen dem 16. Und 18. Jahrhundert. Die Führer des Kosakenstaates wurden durch freie Wahlen bestimmt. In Zaporizska Sich waren keine Frauen zugelassen. Die Männer lebten in Häusern nach dem Prinzip eines Wohnheims. Sie hielten Gottesdienst, denn der orthodoxe Glaube war Voraussetzung für einen Kosaken. Kosaken trainierten sich Tag und Nacht. Kleinste Vergehen wurden hart bestraft. Wer etwas von einem anderen Kosaken gestohlen hatte wurde mit dem Tode bestraft. Die Strafe war lebendig begraben zu werden.

Der Ruf der ukrainischen Kosaken im 15. – 17. Jahrhundert war in Europa sehr hoch. Sie waren tapfere, mutige, ausdauernde und besonders schlaue Kämpfer. Sie haben gegen Russland, Polen, Türkei und Tataren aus der Mongolei und Krim erfolgreich gekämpft. Die Kosaken verfeinerten erste Methoden einer „Marineeinheit“. Mit leichten Booten, die „Chaikas“, übersetzt in Deutsch „Möwen“, haben sie das Asowsche und Schwarze Meer überquert und sind bis Instanbul gegangen. Die Boote waren so gebaut, dass sie darunter entweder eine gute Luftzufuhr bekamen oder verfeinerten es in dem sie Strohhalme nutzten, um an der Oberfläche zu tauchen und die Feinde zu überwältigen. Die Kosaken waren die ersten Marines, eine Eliteeinheit, die wir heute aus den USA kennen.

Nicht jede Möwe kann bis zur Mitte des Flusses Dniepr fliegen

Das heute verwendete ukrainische Sprichwort hat einen besonderen Ursprung bei der Ausbildung zum Kosaken. Denn jeder Mann, der Kosak werden wollte, musste eine Prüfung bestehen. Diese Mutprobe, die es zu überleben gilt, konnte auch tödlich enden. Ein zukünftiger Kosake musste über den großen breiten Fluss Dnepr mit seinen gefährlichen Schwellen und schnellen Strömungen schwimmen. Hatte er es lebend erreicht, wurde er in die Kosakengilde aufgenommen.

Die Kampfkunst der Kosaken ist im heute noch im bekannten Volkstanz „Gopak“ angedeutet. Die Bewegungen ähneln dem Capoeira aus Brasilien. Capoeira ist ein Tanz und auch eine Kampfkunst, der dem Kung Fu der buddhistischen Shaolin Mönche in China ähnelt mit seinen Beinbewegungen. Er wurde von verschleppten Sklaven aus Afrika mitgebracht nach Lateinamerika.

Die Kampfkunst der Kosaken bestand ebenfalls aus einer Mischung von vielen verschiedenen bestimmten Bewegungen der Beinarbeit, aus speziellen Wurftechniken und Schlägen. Spagat, Kniebeugen im Ausfall, Ausholen von Beinen in gewisse Höhen, gleichzeitig mit die Arme Säbel und Gewehr nutzen, um Gegner schnell und effektiv unschädlich zu machen wurden erlernt und jeden Tag trainiert.

Feinde im Kampf fürchteten sich allein durch das bedrohliche Aussehen der Kosaken. Jeder Kosak war rasiert bis auf einen kleinen Haarzopf. Ein Gegner konnte im Kampf nicht einfach den kleinen Haarzopf greifen. Historiker weisen allerdings auch auf einen anderen eher esoterischen Grund des Haarzopfs hin, dass er ein Symbol zur Verbindung zum Universum sein soll.

Die Spezialeinheit „Charakterniks“

Unter Kosaken gab es Spezialeinsatzkräfte oder „Charakterniks“. Das Wort enthält die Erklärung „mit starkem Charakter“. Diese ausgewählte Kaste, eine besondere Einheit, trainiert ausgesuchte Jungen von Kindheit an. Sie müssen Hitze, Frost, Hunger und Durst und mögliche Folterungen aushalten ohne mentale Probleme zu bekommen. Eine Legende besagt, dass sie Kugeln beschwören, Wunden mit den Händen heilen, sogar wahrsagen oder plötzlich verschwinden können.

Die Legende um die „Charakterniks“ erzählt auch, dass wenn die Anzahl der Gegner viel größer als die der Kosaken war, diese ihre Speere in die Erde steckten, so dass der Feind dachte, es wären mehr Kosaken auf dem Kampffeld. Das Angstschüren ging so weit, dass Gegner glaubten, dass Charakterniks Feinde hypnotisieren konnten, um sich selbst die Kehle durchzuschneiden.

Die Legende Iwan Sirko

Der berühmteste Kosak-Charakternik war Iwan Sirko. Zwölf Mal wurde er zum Ataman, einem Kosakenführer gewählt. Seine Mutter soll in Ohnmacht gefallen sein, als sie das Neugeborene gesehen hatte. Das Kind hatte den Mund voller Zähne. Sein Vater jedoch sagte, dass sein Sohn mit seinen Zähnen die Feinde zerreißen wird und übergab ihn den Kosaken-Charakterniks. Die Legende besagt, dass Iwan mit zwölf Jahren verschwand und mit einem Wolf zurückgekommen war. Sein Nachname „Sirko“ hat deswegen auch eine besondere Bedeutung: „Grau oder Wolf“. Der Name schürte Angst, weil er selbst ein „Werwolf“ gewesen sein sollte.

Als erwachsener Heerführer hat er keinen Kampf verloren. Historisch belegt ist, dass Sirkos Kosakenheer für den französischen König gegen die Spanische Niederlande kämpfte und in nur wenigen Tagen die von Franzosen bisher uneinnehmbare Festung Dunkerque eroberte. Sirko und seine Kosakensöldner waren furchteinflößend für den Feind. Laut seiner Willenserklärung sind die Kosaken mit seiner abgeschnittenen Hand fort gegangen.

Einige Jahrhunderte später bei dem Napoleonfeldzug, so eine weitere Legende, soll nach einer Bitte vom russischen General Kutusow die Kosaken drei Mal um die Stadt Moskau reiten. Danach wurde Moskau befreit.

Drei Mal wurden seine sterblichen Überreste woanders begraben. Feinde von Iwan Sirko wollten nicht, dass der Ruf seinen Tod übersteht und versuchten so die Legende des furchteinflößenden Kosaken zu zerstreuen.

Eine moderne bekannte Erzählung ist „Der stille Don“ von Michail Alexandrowitsch Scholochow. Inhaltlich geht es um das bäuerliche Leben der Donkosaken mit den Spannungen des Ersten Weltkriegs und den Wirren des Bürgerkriegs, in dem ein Teil für die Rote Armee und ein anderer Teil für das Weiterbestehen der zaristischen Monarchie kämpft.

Weitere Informationen: Michail Alexandrowitsch Scholochow – Wikipedia

Später kämpften Kosaken im Zweiten Weltkrieg auch freiwillig für die Nationalsozialisten und ein anderer Teil kämpfte für Stalin.

Der Roman von Henryk Sienkiewicz, eher für den Klassiker der Literatur „Quo Vadis?“ bekannt, schrieb 1884 „Feuer und Schwert“, in dem es um den Chmelnyzkyj-Aufstand und den Saporoger Kosaken geht. Im Podcast wird die sehenswerte polnischen Verfilmung erwähnt.

Film- und Literaturtipps

Autor: Michail Alexandrowitsch Scholochow – Wikipedia

Autor: Henryk Sienkiewicz – Wikipedia

Autor: Nikolai Wassiljewitsch Gogol – Wikipedia

Text: Natalya Lubensko