Der Ruhrpottologe lässt sich einwickeln von Roman Jäkel war die Idee zum Film, aber die Idee zur Kunst war zuerst da.
Wie fühlt man sich unter der Plastikfolie? Kann ich die Zeit überstehen darin? Wie verhalte ich mich in der Extremsituation? Was macht mein Gehirn mit mir? Meditiere ich oder schwirren die Gedanken? Kunst in seiner Erlebnisform zum Mitmachen! Ich war dabei und es gefiel mir:
Commodity englisch für „Ware“ – doch hier ist es eine einmalige Aktionskunst von Roman Jäkel.
Mich mal einpacken zu lassen, wie eine Leberwurst und mich dann wieder herauszuwinden, dass war schon eine Kunst, aber nicht von mir, sondern von Roman Jäkel. Er hat eine ganz besondere Aktionskunst entwickelt, die ich gern unterstützt habe und darüber berichten kann, wie es sich so unter der Plastikfolie anfühlt und wie es ist eine Stunde lang da rumzustehen. Denn es ist ein einmaliges herausforderndes Erlebnis. Das ist Kunst zum Anfassen, selbst erfühlen und seine eigenen Grenzen zu erkennen, was Außenstehende nicht sehen.
Außenstehende sehen verpackte menschliche Gegenstände, die an eine Heizung angelehnt sitzen, quer über den Boden liegen oder als Pärchen verschlungen mit Folie stehen oder zusammen mit einem Barhocker verbunden sind. Sie fassen die Menschen an, fragen, ob es einen gut geht. Selbst antwortet man nicht. Man ist hoch konzentriert oder geistig schon weggetreten irgendwo gefühlt im Nirvana, ordnet Gedanken, schmeißt sie auseinander, konzentriert sich nicht zu fallen, spannt die Pobacken an, die Waden und den Kopf. Mir zumindest ist es genau so gegangen. Ich hab mich voller Vorfreude einpacken lassen und am Ende der einen Stunde, die wie im Flug verging, war ich doch froh wieder richtig atmen, laufen und sich strecken zu können. Es war ein Kampf mit sich selbst. Es war wie Meditation, aber eigentlich doch nicht.
Ich hab alles versucht, um nicht abzudriften, nicht einzuschlafen. Ich habe Traumwelten erschaffen, weggewischt, nachgedacht, wie lange es noch geht. Dran gedacht mal die Pobacken und Waden leicht zu strecken, um den Kreislauf in Bewegung zu halten, mal die Muskeln im Arm anzuspannen, um nicht zu ermüden, obwohl sie angelehnt waren. Es war geistig irgendwann nicht mehr machbar Gedanken zu ordnen. Alles schwirrte. Die Informationen der letzten Wochen ratterten durch das Gehirn. Soll ich sie sortieren?
Die Sicht war eingegrenzt, der Blick durch die Folie war rot. Gehört habe ich die vielen Gäste der Wochenendschau zur Kunst der Kunsthochschule von Wuppertal am letzten Septemberwochenende 2024. Manche blieben stehen. Betrachteten sie mich. Manchmal musste ich grinsen, doch ich wollte doch steif bleiben.
Alle 20 Minuten fragte Roman, ob es noch geht. Er sorgt sich um jeden von uns, hilft sofort, wenn Anzeichen sind. Doch alle sechs Teilnehmer haben es durchgehalten und windeten sich je nach Ansage nach und nach aus der Folienpelle.
Wir bekamen alle eine Uhr, die eigentlich nach gewissen Minuten losgehen sollten. Bei mir versagte sie jedoch. Irgendwann bekam ich von der Teilnehmerin Julia Nuy eine „Ohrfeige“ um die Folie, die über meinen Kopf schwebte. Sollte ich mich auspacken? Gehörte das zur Aktion? Ich war mir nicht sicher, weil ich da schon so lange stand. Als dann das Pärchen vor mir anfing sich auszupacken, wußte ich, dass ich eigentlich vorher dran war, oder war ich nach ihnen dran? Ich wußte es nicht mehr. Eine Stunde mit vielen Gedanken im Kopf und ich konnte die Situation nicht mehr unterscheiden. Ich packte mich dann auch langsam aus. Windete die Hand durch den Bauch, ließ es wie ein herauskommendes Alien ausbrechen, zog langsam erst die Beine aus und zuletzt das Gesicht, was die meisten zuerst machten, um wieder frei zu atmen. Ich wollte es so perfekt machen, wie möglich. Ich wußte noch, dass ich langsam quer durch den Raum gehen sollte mit einem wütenden Ausblick. Das habe ich noch geschafft. Und war dann froh wieder befreit zu sein, losgelöst wieder in die Welt geschickt. So also fühlt sich eine verpackte Ware an, wenn wir als lebendiges Wesen verpackt werden. Es ist ein einmaliges Erlebnis. Und so manche Teilnehmer und Teilnehmerin haben es schon einige Male gemacht, mal in Gips, mal in Folie eingewickelt zu werden.
Es ist jedes Mal eine gewisse Herausforderung für die Teilnehmer, aber auch für den Künstler Roman Jäkel, der die Idee zu dieser Aktionskunst hat:
„Mich beschäftigt in meinen Arbeiten die Position des Menschen. Es werden Aspekte der Existenz, Beziehungen und menschlicher Schmerz dargestellt. Meine Werke werden meist in einem darstellerischen Prozess behandelt. Jedes Werk ist eine Szene, welche den Betrachter:innen als Fotografie, Installation, oder Performance erreichen. Mein Ziel ist es Geschichten zu erzählen, Verbindung zu schaffen und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen,“ sagt Roman Jäkel zu seiner Kunst, die begeistert.
Eine erstaunliche Idee Menschen als „Ware“ (Commodity) einzupacken, die sich wieder selber wieder auspacken, kam dem jungen aufstrebenden Künstler Roman Jäkel. Schon bei der „Nacht der 1000 Bilder“ in Bottrop zeigte er vor begeisternden Publikum die eindrucksvolle „Auspackaktion“ künstlerisch von Raffaela Naruhn performt.
Kunst ist nicht nur Bilder malen oder Fotografieren, sondern auch mit Elementen spielen und daraus erlebbare Kunst zu erschaffen. Er suchte nach Personen, die es diesmal in Wuppertal für ein Kunstprojekt mitmachen möchten und fragte im Netzwerk vom Künstler Kollektiv Bottrop nach Interessenten.
Ich sagte sofort zu, neben Dirk Hermann und Brigitte Münch aus dem Kollektiv, die ebenfalls das mal durchmachen wollten. Ich wollte es selbst erleben und hab spontan das ganze gefilmt, was ursprünglich gar nicht meine Absicht war. Mit einem herzlichen Dank an Dirk Hermann und Ralf Opiol, die jeweils mitgefilmt haben, konnte ich eine umfassende Filmsequenz der Pack- und Auspackaktion vor meinen Interviews mit allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen, sowie Roman Jäkel schaffen.
Darin erzählen @julenuy, @katysta.p, Kai Griebel, @muenchs.brigitte, @dirk._.hermann, sowie @roman_jaeckel und ich selbst kurz nach der ganzen Aktion ihre Gefühlswelt und Erlebnisse.
Denn das ist das wichtige bei dieser Art der Kunst von Roman Jäkel: Eine Stunde eng, wie eine Ware, wie z.B. in einer Leberwurst in Folie eingepackt zu sein, ob stehend, liegend, sitzend und dann sich so auspacken, wie er es gern hätte: Langsam, schauspielerisch, emotional, schnell oder sich windend.
Das war ein unglaubliches inneres, wie auch äußerlich ansehnliches Erlebnis, das ich persönlich tatsächlich nochmal wiederholen würde. Ich bin bereit und kann nur empfehlen sich die Dokumentation mal anzuschauen. Auch Menschen, die sich nicht für Kunst unbedingt interessieren, können über diese Form einen neuen Blickwinkel dazu bekommen und neugierig auf mehr von Roman Jäkel werden, der unermüdlich Aktionskunst als für ihn wichtigsten Formen weiterbetreiben wird.
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P.S.: Ich entschuldige mich bei Roman Jäkel (!), da ich versehentlich und unbewußt den Namen ursprünglich mit „ck“ geschrieben habe. Mein Nachbar hat den gleichen Namen mit „ck“. Den habe ich wohl die ganze Zeit im Kopf gehabt…Im Video und im Link ist er nicht mehr wegzumachen, aber im Text und in der Überschrift ist er richtig gestellt worden. Vielen Dank für das Verständnis!
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